Netzfund: Bund fördert Selbstorganisation von Betroffenen sexueller Gewalt im Kontext der Kirchen: 400.000 Euro Zuschuss für Eckiger Tisch e.V.

Das schreibt der Bundestagsabgeordnete Lars Castelluci (SPD) auf seinem offiziellen Blog:

„Es ist ein Beschluss mit großer Signalwirkung, den wir im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages gefasst haben: Der Verein zur Unterstützung von Betroffenen sexueller Gewalt im kirchlichen Bereich, Eckiger Tisch e.V., erhält künftig eine Förderung in Höhe von 400.000 Euro aus dem Etat des Bundesinnenministeriums. Das berichte ich gemeinsam dem zuständigen Berichterstatter im Haushaltsausschuss, Martin Gerster.

Für mich ist klar, dass sexualisierte Gewalt zu dem Schlimmsten gehört, was Kindern und Jugendlichen angetan werden kann. Häufig geht es um die Täter, während die Opfer viel zu wenig gesehen, gehört und unterstützt werden. Wir setzen heute ein klares Zeichen, dass sich das ändert. Auch die Aufarbeitung kann nur mit den Betroffenen gelingen. Dazu müssen sie in ihrer Selbstorganisation gestärkt werden. Dafür schaffen wir nun eine Basis.

Martin Gerster, verantwortlicher SPD-Haushaltspolitiker für den Etat des Bundesinnenministeriums, ergänzt: „Bei Eckiger Tisch e.V. leisten Menschen, die selbst in Kindheit und Jugend Opfer von sexueller Gewalt durch Kirchenbedienstete wurden, bereits seit 12 Jahren unschätzbar wertvolle Arbeit für andere Betroffene. In der Ampel-Koalition haben wir uns auf Initiative der SPD sehr schnell darauf verständigt, dass wir diese Arbeit finanziell unterstützen wollen. Dafür schaffen wir jetzt einen eigenen Titel im Bundeshaushalt, und zwar in dem Kapitel, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Bereich der Kirchen betrifft. Ein glasklares Signal, wie ich finde, das bereits in der früheren Regierungskonstellation dringend notwendig, aber politisch leider nicht möglich war. Jetzt haben wir es gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen und FDP umgesetzt.“
(Quelle)

Des weiteren führt er aus:

Der aus einer Initiative von Betroffenen hervorgegangene gemeinnützige Verein Eckiger Tisch e. V. ist die einzige Selbstorganisation, die Betroffene von sexueller Gewalt im Kirchenbereich nicht nur umfassend betreut und berät, sondern auch politische und mediale Unterstützungsarbeit für sie leistet. Der Verein verfügt über ein großes Maß an Expertise und Erfahrung im Umgang mit den  Kirchen und dem Kirchenrecht, und genießt hohes Vertrauen bei den Betroffenen. Mit dem Zuschuss des Bundes kann eine Geschäftsstelle aufgebaut und das bisherige ehrenamtliche Engagement des Vereins personell verstärkt werden. Zudem wird eine Online-Anlaufstelle als niedrigschwelliges Beratungsangebot und Austauschmöglichkeit für Betroffene eingerichtet.“
(Quelle ebenda)

Und so geht es weiter im Text… Da tun sich nun doch einige Frage auf:

  • Der Eckige Tisch ist also die einzige Initiative/Selbstorganisation, die Betroffene von sexueller Gewalt unterstützt?
  • Wer hat all die anderen Gruppen, Initiativen und Organisationen „unter den Tisch“ fallen lassen?
  • Wieso bekommt der Eckige Tisch einen doch immerhin nicht gerade kleinen Zuschuss für seine Arbeit, während alle anderen Initiativen leer ausgehen?
  • Warum WUSSTEN die anderen Organisationen nicht einmal von diesem „Geldsegen“?

Ein loser Zusammenschluss von verschiedenen Initiativen hat sich nun schriftlich beim Haushaltsausschuss des Bundestages erkundigt, einige Fakten erläutert und die oben angesprochenen Fragen gestellt.

Anfrage-Haushaltsausschuss

Eine abschließende Antwort gab es bislang nicht. Ein Auskunftsersuchen an die UBSKM (Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs) ergab nun, dass diese nicht in diesen Prozess eingebunden war und es wurde empfohlen, sich direkt an den Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci zu wenden, auf dessen Webseite die Ankündigung der Geldvergabe zu lesen ist.

Das wird dann wohl der nächste Schritt sein.

Man sieht: Es bleibt spannend!

Neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Es gibt eine neue (29. Dezember 2021) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu einem Fall der Rehabilitation eines ehemaligen DDR-Staatsbürgers. Da dies für viele ehemalige DDR-Bürger*innen die eine Rehabilitation beantragten bzw. beantragen wollen, veröffentlichen wir hier den Link zu dem Urteil.

Quelle: © Bundesverfassungsgericht │ bild_raum stephan baumann, Karlsruhe

Weihnachtskalender

Wir haben euch einen Weihnachtskalender gebastelt… Leider nicht ganz werbungsfrei – das wäre leider zu teuer geworden.

Wir hoffen dennoch, dass ihr Spaß dran habt!

Das Vorstandsteam
Verein ehemaliger Heimkinder e.V.


Zum Tod von Volker von der Locht

Stolpersteine… Mitte: Volker von der Locht

Ende Oktober verstarb Volker von der Locht im Alter von nur 62 Jahren. Er war einer der ersten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen im Forschungsinstitut „Bochumer Zentrum für Disability Studies (BODYS)“ und hat dieses in der Aufbauphase begleitet.

Er war nicht nur ein bekannter Aktivist und Wissenschaftler der deutschen Behindertenbewegung, in der er seit Anfang der 1980er Jahre aktiv war, er war auch unvergleichlich solidarisch mit den Überlebenden deutscher Heimerziehung.

Da er 1996 zu einem historischen Thema im Bereich der NS-Euthanasie promovierte, führte ihn sein Weg fast zwangsläufig letztendlich zum Thema Heimerziehung in den bundesdeutschen Nachkriegsjahren.

Mit seinem kritischen Blick, seinem Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und seiner radikalen Kapitalismuskritik machte er sich sicherlich nicht nur Freunde. Aber uns Überlebenden gegenüber war er immer unendlich empathisch, hilfsbereit und hilfreich und so manch einem/einer hat er über einige Klippen hinweggeholfen, z.B. durch unermüdliche Zuarbeit bei seinem/ihrem Kampf um Gerechtigkeit vor den Gerichten. Hilfreich dabei war vor allem seine Fähigkeit, sich äußerst akribisch in komplizierte, alte Akten einzuarbeiten und diese für die Betroffenen zu interpretieren.

Sein Tod ist ein großer Verlust für die Ehemaligen und wir werden ihn sehr vermissen!

Doch am vierten Tag im Felsgesteine
hat ein Zöllner ihnen den Weg verwehrt:
„Kostbarkeiten zu verzollen?“ – „Keine.“
Und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach: „Er hat gelehrt.“
Und so war auch das erklärt.

Doch der Mann in einer heitren Regung
fragte noch: „Hat er was rausgekriegt?“
Sprach der Knabe: „Dass das weiche Wasser in Bewegung
mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt.““

(Fragment aus: Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration von Bertolt Brecht)

Corona – eine kleine Umfrage

Unsere Umfrage hat überraschend viele unserer Mitglieder und Leser:innen interessiert.

Um auch noch eventuellen „Nachzügler:innen“ gerecht zu werden, haben Sie die Möglichkeit, unser Umfrage-Formular noch bis Ende des Monats auszufüllen. Danach machen wir uns an die Auswertung, die wir dann an dieser Stelle veröffentlichen werden!

Nicht unbedingt Corona tauglich, dafür aber wunderschön: venezianische Maske

GEWONNEN! ENDLICH!

Ein Update zum Post vom 30. September 2020

Uns liegt jetzt das Urteil vor, dass der Kläger, Michael Decker, uns freundlicherweise überlassen hat. Wir wollen dies hier öffentlich teilen, denn es ist sozusagen ein Lehrstück deutscher Juristerei, ein Lehrstück auch von der Verkommenheit und Verlogenheit mancher Gutachter:innen. Ein Lehrstück auch dafür dass letzten Endes das Recht (manchmal) doch eine Chance bekommen kann.

Und natürlich wirft es ein geradezu grausames Schlaglicht auf die Verhältnisse in deutschen Heimen (in diesem Falle) der 60er und 70er Jahre.

Das Urteil wird auf Wunsch des Klägers in voller Länge und mit sämtlichen Angaben veröffentlicht. Geschwärzt haben wir lediglich einen Teil des Lebenslaufes des Kläger (NACH der Heimzeit), von dem er nicht will, dass er öffentlich wird, sowie natürlich die Adresse des Klägers.

Zeigen Sie mit der Maus auf das Dokument, so wird am unteren Ende der ersten Seite eine Bearbeitungszeile sichtbar. Sie haben nun die Wahl, sich durch das Dokument Seite für Seite durchzuklicken.

PDFsam_merge3

Desinteresse? Oder doch etwas zu verheimlichen?

Am 22. Oktober 2020 richteten wir eine Anfrage an die Diakonie Bamberg, bzw. dessen Leiter Dr. Norbert Kern.

Wir baten ihn höflich um Hilfe bei der Beantwortung einiger Fragen bezüglich des ehemaligen Erziehungsheim „Voccawind“

„Voccawind“

1948 errichtete die Innere Mission das Erziehungsheim auf dem Zeilberg, das 1954 erweitert wurde und bis in die 1970er Jahre bestand. Es hatte etwa 50 Plätze für Jugendliche ab 14 Jahren. Diese mussten unter anderem im Basaltsteinbruch arbeiten.

Warum die Anfrage an die Diakonie Bamberg?
Die Innere Mission und das nach 1945 gegründete „Hilfswerk der Evangelische Kirche Deutschland schlossen sich ab 1957 in landeskirchlichen Werken zusammen. Diese waren also als Vorläufer der heutigen Diakonischen Werke für „Voccawind“ verantwortlich. 1975 wurden sie im Diakonischen Werk der EKD vereint.

Leiter-Diakonie-Bamberg

(Mit der Maus über den Brief fahren und den „Abwärts“-Knopf klicken um die 2. Seite des Briefes anzuzeigen)


Unsere Anfrage blieb leider unbeantwortet. Hätten wir (in weiser Voraussicht) den Brief nicht als Einschreiben abgeschickt, müssten wir uns wohl wundern, ob er den Empfänger je erreicht hat.

Da der Empfänger jedoch alle Regeln der Höflichkeit außer Acht ließ, haben wir uns nun entschlossen, das Schreiben an dieser Stelle zu veröffentlichen und gleichzeitig nachzufragen, woran dieser Mangels an höflichen Gepflogenheiten wohl liegen mag.

Wir fragen uns:
– Ist die Diakonie Bamberg nicht an ihrer Vergangenheit interessiert?
– Geht ihr das Schicksal der ehemaligen Heimkinder sonst wo vorbei?
– Oder gibt es eher doch etwas zu verbergen?

GEWONNEN! ENDLICH!

Dieser Prozess auf Zahlungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wurde gewonnen! Endlich! Nach zehn langen, anstrengenden, nervenzehrenden Jahren.

Allerdings nicht, ohne dass der Prozess von NRW (der Kläger wurde Jahre lang im Franz Sales Haus in Essen schrecklich misshandelt) nach Bremen verlegt wurde, wo der Kläger heute lebt.

Franz Sales Haus

Die lange Zeit zur Urteilsfindung ist in erster Linie dem LWL anzulasten, der immer und immer wieder bestritt, dass der Kläger traumatisiert war, einzelne Aussagen wieder und wieder angefochten hat und nicht bereit war, den Grad der Beschädigung von 50% (!) anzuerkennen.

Wir freuen uns unglaublich mit und für den Kläger, der uns im übrigen bat, allen potentiellen Kläger*innen Mut zu machen:

„Gebt nicht auf !“