Begründung von Schadensersatzpflichten durch Verletzung von Art. 1 I und Art. 2 I GG Prof. Dr. Jürgen Eilert *, Prof. Dr. Jan Bruckermann**, Dr. Burkhard Wiebel***.
I. Einleitung
Vorbemerkung
Die nachstehende Darstellung ist das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit eines Juristen mit einem Neurowissenschaftler und einem Psychologen: erstmalig wird ein deliktischer Anspruch dem Grunde nach auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach §§ 823, 826 BGB im Falle systembedingter dauerhafter Rechtsverletzungen begründet. Erfasst werden vor allem neurologische und psychologische Wirkungen, die sich aus der Verletzung von Art. 1 I, 2 I GG begründen. Daran wird der neue Rechtsbegriff des Eigenstandschadens begründet.
Die Funktion dieses neuen Begriffes besteht in
A
dem Vergleich aktueller neurologischer und psychologischer Erkenntnisse von dauerhaften Gewaltzufügungen gegen junge Menschen bei staatlichem Kontrollversagen, hier dem Heimsystem der 50er bis 70er Jahre, mit der Zielsetzung des Grundgesetzes,
B
der juristischen Begründung von Schadensersatzansprüchen aus dauerhafter Zufügung psychischer Gewalt bei staatlichem Kontrollversagen,
C
der Begründung eines neuen Bewusstseins sowohl in Literatur und Rechtsprechung als auch in der Politik für das Ausmaß der Beeinträchtigungen Erwachsener als Folge von frühkindlichen und kindlichen Misshandlungen,
D
der Erkenntnis der Notwendigkeit einer Änderung geltender zivilrechtlicher Verjährungsregelungen aufgrund der zeitlichen Diskrepanz zwischen Ursächlichkeit und Manifestation der unter A genannten Schäden.
Verknüpft sind die Ausführungen mit den individuellen Folgen der Unterbringungen im Heimkindersystem der 50er bis 70er Jahre. Als Besonderheit ist hier die Manifestierung der Schäden erst Jahrzehnte nach den in den Unterbringungen erlittenen Handlungen zu benennen. Das existierende Opferentschädigungsgesetz (OEG) billigt nur einen geringen Rentenanspruch zu, es erfordert dazu auch eine Beweisführung durch den Antragssteller. Die bislang bestehende Lücke von Schadensersatz und Schmerzensgeld gegenüber der Rentenzahlung des OEG wird hiermit geschlossen. In diesem Zusammenhang bewerten die Autoren auch die Frage der Verjährung der Ansprüche neu.
* Prof. Dr. Jürgen Eilert,
Professor für Theologie und Psychologie an der CVJM-Hochschule in Kassel (Psychologische Ausführungen und Redaktion),
** Prof. Dr. jur. Jan-Friedrich Bruckermann,
Professor für Gesundheits- und Sozialrecht an der Fachhochschule für Oekonomie und Management (FOM) in Köln (Juristische Ausführungen),
*** Dr. Burkhard Wiebel,
Neuropsychologe, freier Mitarbeiter des Instituts für kognitive Neurowissenschaft der Ruhr-Universität Bochum (Neurowissenschaftliche Ausführungen).
Dieser Beitrag erschien zuerst in:
SOZIALRECHT aktuell
Zeitschrift für Sozialberatung
4/2019
23. Jahrgang, Seiten 125–168
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