Ein Abend mit Sylvia Wagner
Jahrzehntelang werden Medikamente an Heimkindern getestet. Heute kämpfen sie mit den Spätfolgen des Missbrauchs.
Pillen, Säfte, Spritzen: Für Heimkinder in den alten Bundesländern jahrzehntelang Alltag. Von den 50er bis in die 70er Jahren wurden sie systematisch für Medikamententests missbraucht. Vor allem beruhigend wirkende Psychopharmaka, triebhemmende Präparate und Substanzen, die heute gegen Demenz eingesetzt werden, mussten die Kinder unter Zwang nehmen. Ohne ein Wort dazu, dass es sich teilweise um Studien noch unerforschter Medikamente handelte. Mit verheerender Wirkung: aus gesunden Kindern werden kranke Erwachsene.
Der Pharmakonzern Merck, der u.a. in Essen große Mengen Arzneimittel für das Franz-Sales-Haus bereitgestellt hat, schiebt bis heute die Verantwortung von sich. Die Geschädigten wurden damals wie heute mit den Folgen allein gelassen. Wie konnte es zu dem organisierten Missbrauch kommen? So kurz nach den Nürnberger Prozessen? Und wer trägt die Verantwortung für die Schäden, die die Kinder erlitten haben?
Wir sprechen mit der Pharmazeutin und Pharmaziehistorikerin Sylvia Wagner. Sie hat 2016 den Skandal öffentlich gemacht, wie tausende Kinder als Versuchskaninchen herhalten mussten.
Sylvia Wagner ist gebürtige Essenerin. Nach dem Pharmaziestudium an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster erfolgt 1995 die Approbation als Apothekerin. Seit ca. 2015 widmet sie sich wissenschaftlich dem Thema der Arzneimittelprüfungen an Heimkindern im Rahmen einer Promotion, die sie 2019 erfolgreich abschließt.