Wir wollten Euch ja auf dem Laufenden halten wegen der Gerichtsverhandlung, wo ein ehemaliges Heimkind u.a. klagt, weil an ihm ein Arzneimittel getestet wurde. Dieser Gerichtstermin sollte Anfang Mai stattfinden, musste aber leider auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Wir werden berichten, wenn es etwas neues dazu gibt.
Arzneimittelversuche an Heimkindern: erstes Gerichtsverfahren beginnt!
Endlich ist es soweit
Anfang Mai beginnt vor einem Sozialgericht ein Verfahren eines ehemaligen Heimkindes. Es klagt, weil nachweislich ein Arzneimittel an ihm getestet worden ist. Die Klage erfolgt im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes (OEG). Bisher haben Heimkinder keine Entschädigungen für den Einsatz von Arzneimitteln zur Ruhigstellung oder für Arzneimittelversuche erhalten. Dies ist der erste Prozess in diesem Zusammenhang und wir erwarten ihn mit Spannung. Sollte das ehemalige Heimkind mit der Klage Erfolg haben, könnten sich andere ehemalige Heimkinder auf das Urteil berufen und ebenso auf Erfolg hoffen. Zum Schutz der Anonymität werden wir hier allerdings keine konkreten Angaben zu dem ehemaligen Heimkind machen. Wir bitten um Verständnis dafür.
Politische Lösung für alle
Wie Ihr wohl wisst, sind Verfahren im Rahmen des OEG in der Regel sehr belastend und dauern oft mehrere Jahre. Das zehrt an den Kräften und Nerven der Betroffenen. Wenn das Verfahren dann noch negativ ausgeht, kann es die Betroffenen in eine große Verzweiflung stürzen. Solche Verfahren können retraumatisierend wirken und viele Betroffene nehmen den Weg eines Gerichtsprozesses deshalb gar nicht erst auf sich.
Darum halten wir es für notwendig, dass sich die Politik für die Opfer des missbräuchlichen Einsatzes von Arzneimitteln einsetzt und eine unbürokratische Entschädigungspraxis auf den Weg bringt.
Da jedoch in der Regel nichts ohne Druck geschieht, können die Klagen einzelner Betroffener den Weg zu einer solchen Entschädigungspraxis ebnen. Wir haben großen Respekt vor dem Mut des nun klagenden ehemaligen Heimkindes und drücken ihm für den Prozess die Daumen für den individuellen Erfolg. Und wie gesagt hoffen wir, dass dadurch auch anderen Betroffenen ein Weg zu einer Entschädigung geebnet wird.
Wir begleiten für Euch den Prozess und werden darüber berichten.
Studie zum missbräuchlichen Einsatz von Medikamenten an Heimkindern in NRW
Hallo,
hier noch mal aktuell: in NRW läuft seit 2022 eine Studie, die den missbräuchlichen Einsatz von Arzneimitteln an Heimkindern untersucht: https://www.land.nrw/pressemitteilung/nordrhein-westfalen-laesst-missbraeuchlichen-medikamenteneinsatz-bei-kindern-und
Missbräuchlicher Einsatz kann beispielsweise bedeuten, dass Kinder ohne eine medizinische Notwendigkeit einfach mit Arzneimitteln ruhiggestellt wurden, dass sie durch die Gabe von Arzneimitteln bestraft wurden oder auch, dass Arzneimittel an ihnen getestet wurden.
Die Studie ist vom Gesundheitsministerium NRW in Auftrag gegeben worden und wird geleitet von Prof. Heiner Fangerau von der Universität Düsseldorf. Sein Team von WissenschaftlerInnen kooperiert für die Studie eng mit betroffenen ehemaligen Heimkindern.
Die NRW-Studie läuft noch bis Ende 2024. Im Internet gibt es dazu ein Zeitzeugenportal, in das Betroffene ihre Erinnerungen und Erfahrungen zu dem persönlichen Medikamenteneinsatz dokumentieren können: https://web.umfrageonline.com/s/3rhcy7x
Je mehr Betroffene daran teilnehmen, desto umfassender wird die Aufarbeitung. Die Studie ist fokussiert auf Vorkommnisse in Einrichtungen, die in NRW sind oder waren.
Ein Abschlussbericht wird Anfang 2025 veröffentlicht werden. Im Februar 2024 wurden bereits einige Zwischenergebnisse präsentiert, die zeigen, dass Chargen von Pockenimpfstoffen in Kinderheimen getestet wurden: Westpol: NRW: Heimkinder als Versuchsobjekt | ARD Mediathek Medikamentenmissbrauch an Kindern – WDR 5 Neugier genügt – Das Feature – WDR 5 – Podcasts und Audios – Mediathek – WDR
Wir sind nicht nur Beobachter der Studie und Zeitzeugen, sondern wir haben auch Forderungen an die Politik: so muss es auch in anderen Bundesländern eine Aufarbeitung geben (bisher hat es außer in NRW Aufarbeitungen in Niedersachsen uns Schleswig-Holstein gegeben). Und wir fordern eine Entschädigung für die Betroffenen, so wie es in der Schweiz bereits geschieht: https://www.sueddeutsche.de/panorama/schweiz-medikamentenversuche-illegal-klinik-muensterlingen-entschaedigung-opfer-kanton-thurgau-novartis-walter-emmisberger-1.6343696?reduced=true
Wir halten Euch auf dem Laufenden und unterrichten Euch über die aktuelle Entwicklung der Aufarbeitung.
Land NRW hat Heimkinder für Impftests missbraucht
Stand: 25.02.2024
Die NRW-Landesregierung hat in den 60er Jahren erlaubt, dass an Heimkindern Pockenimpfstoff getestet wurde. Das belegen historische Dokumente, die der WDR einsehen konnte.
Von Arne Hell und Niklas Schenk
Die Pocken waren in Europa einmal eine gefürchtete Krankheit. Wer an diesem Virus erkrankte, hatte ein hohes Risiko zu sterben. Wer überlebte, war oft mit wulstigen Narben übersät. Noch bis 1976 gab es in Deutschland eine Impfpflicht gegen Pocken.
In Nordrhein-Westfalen kümmerte sich damals eine eigene Behörde um den Schutz der Bevölkerung, die Landesimpfanstalt in Düsseldorf. Sie stellte Pockenimpfstoff selber her – und testete ihn dann an Kindern, die in Heimen lebten. Also an Kindern, bei denen man dies ohne Einwilligung der Eltern tun konnte.
Bis 1976 galt in Deutschland eine Impfpflicht gegen Pocken
Vereinsauflösung
Der Verein ehemaliger Heimkinder e.V. wurde aufgelöst. Eventuelle Gläubiger des Vereins werden gebeten, ihre Ansprüche beim Liquidator
Hans A. Kloos,
Telefon +49 611 5319051,
E-Mail: h.a.kloos@veh-ev.eu
anzumelden.
Verein ehemaliger Heimkinder e.V. aufgelöst
Der Verein ehemaliger Heimkinder e.V. hat sich per Mitglieder-Entscheid auf der Mitgliederversammlung am 14./15.10.2023 aufgelöst.
Was bleibt ist Wehmut, Traurigkeit, Frustration – aber auch viel Stolz auf all das, was der Verein in seiner Geschichte erreicht hat.
Wir danken noch einmal allen, die dazu beigetragen haben, den Verein zu dem zu machen, was er ist/war.
Zur Zeit befindet sich der Verein in Liquidation. D.h. dass maßgeblich Stellen und Behörden von der Auflösung informiert werden müssen, es muss der Verbleib des Vereinsvermögens beantragt werden, die Buchführung wird von den Finanzbehörden abschließend geprüft.
Bei Fragen zu diesen Prozessen wenden Sie sich bitte an den Liquidator
Hans. A. Kloos
Telefon: +49 611 5319051
E-Mail: h.a.kloos@veh-ev.eu
Ein Mahnmal für die Kinderopfer in Nazi-Deutschland und der BRD
Das hier gezeigte Mächen steht sowohl für die Kinder in Heimfürsorge, die in der Kindereuthanasie ermordet wurden, wie es auch für die besondere Gruppe der Heimkinder,
die als Sinti, Roma oder Jenische ermordet wurden und für jene, die nach 1945 physischer, psychischer und sexueller Gewalt ausgesetzt waren. In der Inschrift wird der Zusammenhang verdeutlicht.
Dieses eindrucksvolle Mahnmal wird demnächst in Bremen seinen Platz finden.
Michael Decker, selbst ehemaliges Heimkind, der während seiner langen Jahre im Heim (u.a. im Franz-Sales-Haus in Essen) Unsägliches erleiden musste, hat dieses Mahnmal mit einem Gutteil der Nachzahlung seiner Opferentschädigungsrente (OEG) erstellen lassen!
Danke, Michael!
Die Recherche ihres Lebens
PHARMAZEUTISCHE VERSUCHE
Sylvia Wagner ist bei Nonnen und in einer Pflegefamilie aufgewachsen. Als erwachsene Pharmazeutin hat sie aufgedeckt, dass Medikamente bis in die Siebzigerjahre an Heimkindern und „milieugeschädigten“ Jugendlichen getestet wurden. Davon betroffen war auch ihr eigener Bruder.
Einen großen Stapel Dokumente hatte sich Sylvia Wagner an jenem Tag aus dem Archiv des Pharmaunternehmens Merck in den Lesesaal kommen lassen. Es würde wieder einige Stunden dauern, sich durch die ohne klare Ordnung abgelegte Korrespondenz der Firma mit Behörden und Instituten aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren zu arbeiten. Bald aber stieß Wagner, selbst Pharmazeutin, auf Unterlagen, in denen es um die Prüfung neuer Medikamente in Heimen, Kliniken oder Psychiatrien an „schwer erziehbaren“ oder als „schwachsinnig“ abgestempelten Kindern und Jugendlichen ging. Seitenlang berichteten die Anstaltsmediziner über die angeblich gute Wirkung der erprobten Medikamente. Die Heranwachsenden seien wesentlich ruhiger oder durch die Sedierung überhaupt erst zugänglich für eine Psychotherapie.
(Zum Lesen des ganzen Artikels, hier klicken)
Filmdreh über das Kinderkurheim Johannaberg in Berlebeck – Zeitzeugen gesucht
In den vergangenen Jahren haben immer mehr Betroffene ihr Schweigen gebrochen und öffentlich von schockierenden Erfahrungen in Kinderkurheimen berichtet. Von der Nachkriegszeit bis in die 1990er Jahre hinein wurden Millionen Kinder zur Kur geschickt, um sich während einer sechswöchigen Kur zu erholen. Doch in vielen Heimen herrschten Heimweh, Zwang und Gewalt. So auch im vom Deutschen Roten Kreuz betriebenen Kinderkurheim Johannaberg. Es lag in der Ortschaft Berlebeck (Landkreis Detmold) und unweit des Hermanndenkmals am Rande des Teutoburger Waldes. Bis zur Schließung 1973 wurden erholungsbedürftige Kinder vornehmlich aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Hamburg dorthin verschickt.
Der Dokumentarfilm „Heimgesucht“ soll nun die dortigen Missstände aufarbeiten. Regie führt Silas Degen, Filmemacher und Student der Filmuniversität Babelsberg. Unterstützt wird das Vorhaben von der Filmfördergesellschaft nordmedia, der Initiative Verschickungskinder und dem Verein Aufarbeitung Kinderverschickungen-NRW. Die Dreharbeiten sollen noch im Jahr 2023 erfolgen und die Rollen mit Schauspieler*innen besetzt werden, die selbst eine Verschickung erlebt haben.
Um ein genaues Bild vom Alltag im Heim Johannaberg vermitteln zu können, ist das Filmteam auf der Suche nach Zeitzeugen. Vornehmlich nach Berlebeck verschickte Kurkinder mit negativen wie positiven Erfahrungen. Aber auch Kinderpflegerinnen, Heimpersonal und Praktikantinnen, die Einblicke aus ihrer Perspektive geben können. In Erlebnisberichten tauchen bislang folgende Namen auf: Gerlind Steinbach, Ursula Rusche, die Tanten Anneliese, Lilo, Ute, Paula und Pitty (mit auffälligem niederländischen Akzent) sowie die Heimleitung Becker und der Arzt Dr. Lange. Wer kennt diese Personen und weiß etwas über ihren heutigen Aufenthaltsort? Außerdem sucht das Filmteam nach historischen Fotografien, Postkarten und Gegenständen oder Möbelstücken aus dem Heim Johannaberg.
Kontakt zum Filmteam kann über die folgende Mailadresse aufgenommen werden: berlebeck@verschickungsheime.de. Alle Anschreiben werden auf Wunsch anonymisiert und vertraulich behandelt.